Do. Apr 25th, 2024

Podiumsrede bei der Klimakonferenz 2019

Zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit gab es eine Krise wie die Klimazerstörung. Wir befinden uns in einem Kampf gegen unsere eigene Lebensgrundlage. Und wer genau hinschaut, merkt, dass es nicht ein Fehler im System ist: Das System selbst ist der Fehler. Denn wirtschaftliches Wachstum und Profit werden aufgewogen gegen nichts geringeres als unser Zuhause. Es ist so leicht zu durchschauen, dass es Schulkinder sind, die auf die Straße gehen und ihr Recht auf eine Zukunft einfordern.

Und dass sich etwas ändern muss, da stimmen die meisten Menschen zu. Und viele versuchen, wenigstens ein bisschen was zu tun: weniger Fleisch, dafür mehr Bio und Fair Trade. Auf Nachhaltigkeitssiegel achten. Second Hand kaufen. Plastik vermeiden.

Und während all das gute Vorsätze sind, reicht es nicht aus. Denn es verschiebt den Kampf, den wir führen, ungerechterweise in unseren Einkaufswagen. Und egal, wie sehr wir uns abmühen und wie viel wir auch konsumieren: Siegel für Tierwohl oder vom Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl sind nichts als Augenwischerei.

In Indonesien wird weiterhin Regenwald mit Feuer gerodet, damit dort Palm-Monokulturen angebaut werden können. Es wird Landraub betrieben und die Bevölkerung ist abhängig von schlecht bezahlten Jobs auf diesen Plantagen.

Das ist bekannt und leicht nachzuweisen, doch Unternehmen wie Unilever oder Nestlé behaupten stur, es gäbe keine Brandrodungen oder Kinderarbeit und sie würden den Lebensstandard ihrer Arbeiter*innen sogar stetig verbessern.

Auch in Brasilien gibt es einen brutalen und systematischen Kampf gegen die Ureinwohner, die den Regenwald schützen wollen. In den vergangenen Wochen machten die Brände im Regenwald Schlagzeilen. Und so schlimm wie diese Brände sind, so muss uns bewusst sein, dass es zum Alltag gehört. Niemand verdient Geld, wenn der Regenwald einfach nur wächst. Weideflächen, Plantagen, damit gibt es Profite. Und wer sich dem entgegen stellt, wird eingeschüchtert, bedroht oder umgebracht.

Hier bei uns, in Essen, haben wir RWE. Auch wenn RWE Windkraftanlagen betreibt, so ist ihr Kerngeschäft weiterhin die Kohle. Es wird häufig behauptet, dass sie unverzichtbar für unsere Stromversorgung sei. Noch dazu ist es angeblich die günstige Form der Stromerzeugung. Dass das falsch ist, zeigen Berechnungen des Instituts für ökologisch-soziale Marktwirtschaft: die gesellschaftlichen Kosten für Braunkohle und ihre Verstromung beliefen sich allein 2015 auf rund 15 Milliarden Euro. Darunter fallen gesundheitliche Probleme durch Feinstaub und Giftstoffe, die Sanierungskosten für ehemalige Tagebaue oder auch Schäden an Häusern in der Umgebung, wie etwa abgesackte Terrassen und feuchte Keller.

Für dieses Jahr erwartete RWE Gewinne von bis zu 1,7 Milliarden Euro durch Braunkohle und Atomkraft.

Aber wir tragen schon jetzt die Kosten für RWE!

Auch wenn sie planen, der größte Erzeuger von grünem Strom zu werden, indem sie die erneuerbaren Energien von Eon und innogy übernehmen: RWE bleibt der größte CO2-Emittent der EU. Wer Kohle baggert, darf nicht behaupten, das Klima zu schützen!

Selbst wenn wir uns also bessern wollen, selbst wenn wir unsere Kaufentscheidungen der Krise anpassen, tappen wir immer wieder in die Greenwashing-Fallen. Etwas wird als umweltfreundlich beworben, als Produkt der grünen Zukunft, doch beim näheren Hinsehen fällt schnell auf, dass sich nichts als kluge Marketingstrategien und vor allem Profitinteresse dahinter verbergen.

Tesla, beispielsweise, viel gelobt für ihre innovativen, künstlich intelligenten Autos. Sicher ist es schön, wenn man ohne Mineralöl mobil sein kann. Doch braucht man Lithium, dessen Abbau in Südamerika Umweltzerstörung und Vertreibung von Ureinwohnern bedeutet.

Immer wieder sind die Menschen von Ausbeutung betroffen, deren Lebensstil eigentlich der umweltfreundlichste ist. Menschen, deren Familien seit tausenden von Jahren in den unterschiedlichsten Gegenden der Welt leben. Auch Rassismus gegen eben diese indigene Bevölkerung spielt beim Umweltschutz eine große Rolle.

Andere seltene Erden, deren Abbau genauso schädlich ist und jedes Jahr zahllose Menschenleben in Minen und Tagebauen kostet, werden in unseren Handys und Computern verbaut. Jeder kennt das Phänomen, dass besonders neuere Modelle oft nach wenigen Jahren kaputt sind. Reparaturkosten übersteigen häufig die Kosten einer Neuanschaffung, also lieber gleich ein neues, besseres, schnelleres Mobiltelefon?

Die Entscheidung für eine Reparatur wäre die ökologischere, doch ist es wohl kaum die Schuld von Konsumenten, wenn Produkte so konzipiert sind, dass ihre Reparatur schwierig und teuer ist. Es ist Kalkül: Je mehr Handys verkauft werden, desto mehr Gewinn für die Konzerne, zulasten unseres Planeten und der Menschen.

Egal, wie weit weg die Ausbeutung ist, sei es die von Menschen oder die der Natur. Auch wir hier im wohlbehüteten Europa spüren ihre Auswirkungen. Es ist Zeit für eine Veränderung. Wenn wir aber glauben, dass unsere individuellen Kaufentscheidungen diese Welt retten, können wir uns gleich einen biologisch abbaubaren Sarg kaufen und uns vergraben lassen.

Nicht wir sind das Problem, nicht ob wir eine Zahnbürste aus Plastik oder aus Bambus kaufen, das Problem sind die Konzerne. Gegen sie müssen wir kämpfen. Ihre Versprechungen sind nichts als Halbwahrheiten und Lügen, die ihre Gier nach immer mehr Profit verschleiern sollen. Es ist ihnen egal, wer stirbt. Tiere, Menschen, selbst der Planet ist ihnen egal: Denn wenn sie sich nicht an die Spielregeln der kapitalistischen Wirtschaft halten, dann gehen sie gnadenlos unter. Das System lässt ihnen kaum Spielraum: Profit generieren oder den Job verlieren.

Und doch ist es unsere Aufgabe, sie zu zwingen, Menschenrechte und Umweltschutz nicht mehr nur als optional anzusehen. Menschenrechte und Umweltschutz sind die Grundlage, auf der jede Zusammenarbeit fußen muss. Klimagerechtigkeit oder Barbarei!

Nicht wir sind das Problem, aber wir werden das Problem lösen. Auf der Straße, auf Konferenzen und Kongressen, im Hambacher Forst, in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften. Das Problem sind Eigentümer und Manager mit Gewinnen in Millionenhöhe. Ihre Firmen tragen Verantwortung für Ölkatastrophen, Zerstörung ganzer Landschaften, wie etwa im rheinischen Braunkohlerevier, Vernichtung von fruchtbaren Böden durch Pestizide und andere Gifte, Waldsterben und -brände, Vertreibung indigener Bevölkerung, Kinderarbeit, Wasserverknappung, Hungersnöte und bittere Armut.

Wir sind nicht das Problem. Aber wir geben deswegen auch nicht auf. Wir machen weiter. Gerade hier in Essen können wir gegen RWE kämpfen. Unsere Stadt besitzt die meisten Aktien an diesem dreckigen Konzern. Oberbürgermeister Kufen sitzt im Aufsichtsrat.

Wir haben schon jetzt viele Verbündete. Es geht um unsere Zukunft.

Lasst uns Druck ausüben. Lasst uns laut sein. Wir vertrauen nicht auf leere Worte, wir vertrauen nur auf Taten. Wir machen weiter, denn dieser Kampf ist ein Kampf um unser aller Überleben.

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