Fr. Apr 26th, 2024

Medienmonopol in Essen

Gerade erst haben die privaten Medienbetreiber sich für systemrelevant erklärt und leiten daraus die Forderung nach staatlicher Unterstützung ab (vgl. https://www.presseportal.de/pm/6895/4746036).

Sie begründen dies auch damit, dass eine demokratische und soziale Marktwirtschaft private Medien brauche, weil sie ohne vertrauenswürdige Medien nicht funktioniere. Sie stellen diese Behauptung unter die Überschrift „Starke Medien gegen Desinformation“ (ebd.).

Das ist gleich mehrfach schwierig. Erstens gibt es „die“ privaten Medien nicht. Vielmehr haben wir es hier zu tun mit einem breiten Spektrum von Anbietern, die alle ihren jeweiligen Markt bedienen und dabei tatsächlich gegen Desinformation antreten mögen, durchaus aber auch – wenn es dem Umsatz förderlich ist – sich nicht nur an der Desinformation beteiligen, sondern diese geradezu befeuern.

Zweitens gibt es eben keinen Grundkonsens, der private Medien auf „die Wahrheit“ verpflichtet. Natürlich ist es schon schwierig, sich überhaupt auf „eine Wahrheit“ zu verständigen. Eine demokratische Gesellschaft ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass es einen Streit darüber gibt, was wahr ist und was nicht. Die Diskussion, der Wettstreit der politischen Ideen ist essenziell für eine offene demokratische Gesellschaft. Inwiefern private Medien dazu beitragen, ist vollkommen unspezifisch.

Drittens sind private Medienkonzerne zunächst und vor allem genau das: private Medienkonzerne. Und als solche sind sie ihrem Selbstverständnis und ihrer Aufgabe (gegenüber den Eigentümer:innen) gemäß eben nicht dem demokratischen Pluralismus, der demokratischen Debatte auf der Suche nach einer gemeinsamen Wahrheit verpflichtet, sondern den Kapitalinteressen ihrer Eigentümer:innen. Ein privates Medienunternehmen nutzt Nachrichten als Mittel zum Zweck der Gewinnproduktion. Das ist eine Wahrheit, für die man nicht das Aktiengesetz studiert haben muss.

Viertens ist die Existenz privater Medienunternehmen nicht die Garantie, sondern im Gegenteil die ständige Bedrohung medialer Vielfalt. Betrachten wir das Beispiel Essen: Aus einer Vielzahl unterschiedlicher, voneinander unabhängiger und im besten Sinn im Wettbewerb zueinander stehender Medienunternehmen ist ein echtes Monopol geworden. Sämtliche Printmedien in Essen sind ausnahmslos Produkte der Funke Mediengruppe. Andere Zeitungen gibt es nicht mehr.

Auch Verlagshäuser, die sich auf die Produktion von Regionala spezialisiert haben (Klartext-Verlag), sind längst von Funke aufgekauft worden. Der einzige genuin lokale Radiosender (Radio Essen) gehört selbstverständlich auch zur Funke-Gruppe. Noch nicht einmal den Wettstreit der Redaktionen gibt es mehr. Auf dem Altar der Kostensenkung wurden unabhängige Redaktionen (z.B. von WAZ und NRZ) längst faktisch geopfert.

Unabhängige Berichterstattung, die Beteiligung oder gar Initiierung kontroverser Debatten, die Suche nach Wahrheiten, das Aushalten unterschiedlicher Meinungen, die Anerkennung der Existenzberechtigung dieser Meinungsvielfalt sind vielleicht (noch) als Attitüde vorhanden, treibend ist all das nicht (mehr).

Was wir also tatsächlich brauchen, ist eine wirklich staatsferne und (finanziell wie personell und institutionell) unabhängige Medienlandschaft, in der private Anbieter vielleicht ihren Platz haben, in der aber vor allem nicht den Marktlogiken folgende, streng öffentliche und öffentlich kontrollierte Einrichtungen die öffentliche Debatte anstiften.

Wer jetzt sagt, dass es diese Einrichtungen doch längst gebe und dafür auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Staatsverträge und die Räte und Beiräte verweist, der / die hat wohl noch nie eine im Sand verlaufende Eingabe etwa beim WDR gemacht oder eine offizielle Beschwerde beim Rundfunkrat eingereicht, ohne je auch nur eine Eingangsbestätigung bekommen zu haben.

Der WDR ist ein gutes Beispiel für die Banalisierung, für die Kommodifizierung einer ehemals im Wettstreit der Ideen ernst zu nehmenden Einrichtung. Das liegt an der sich auch hier (und vielleicht sogar gerade hier) durchsetzenden neoliberalen Ideologie mit all den Konsequenzen für Inhalte und Demokratie.

Dass dies nicht zuletzt auf dem Rücken der dort beschäftigen Menschen geschieht, passt ins Bild. Der gerade bei öffentlich-rechtlichen Anstalten massive Druck auf die Beschäftigten muss aufhören. Unabhängiger Journalismus braucht gute Arbeits- und Produktionsbedingungen. Dies ist die Grundlage für „starke Medien gegen Desinformation“ und verdient eine auskömmliche finanzielle Basis.

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