Fr. Apr 26th, 2024

Laschet legt Versammlungs-Verhinderungsgesetz vor

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag ist entnommen von: https://movassat.de/laschet-legt-versammlungs-verhinderungsgesetz-vor

Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Armin Laschet hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, welches der Versammlungsfreiheit schweren Schaden zufügen wird. Auf 91 Seiten wird nach der Verschärfung des Polizeirechts 2018 nun auch das grundlegende Recht, demonstrieren zu dürfen, von CDU und FDP infrage gestellt.

Dabei ist die Versammlungsfreiheit nach einhelliger Auffassung in der Rechtswissenschaft grundlegend für die Demokratie (siehe etwa BVerfGE 69, 315, 343). Weil in der Demokratie alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, muss die Bürgerschaft auch die Möglichkeit haben, aktiv auf den demokratischen Prozess einzuwirken – nicht nur durch Wahlen, sondern auch durch Versammlungen. Das Bundesverfassungsgericht zitiert den großen Staatsrechtler Konrad Hesse, der die Bedeutung der Versammlungsfreiheit treffend auf den Punkt brachte:

Versammlungen „bieten … die Möglichkeit zur öffentlichen Einflussnahme auf den politischen Prozess, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und Protest … ; sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren.

Diese gewichtige Bedeutung der Versammlungsfreiheit ist schwarz-gelb gleichgültig. Schauen wir uns den NRW-Entwurf für ein neues Versammlungsgesetz näher an.

Militanzverbot

Beginnen wir mit einem der willkürlichsten Regelungen, die fassungslos macht. Das sogenannte Militanzverbot in § 18 des Entwurfs ist ein offenes Einfallstor für die Verhinderung von jeder dem Staat unwillkommenen Versammlung. Darin heißt es nämlich, es sei verboten, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel zu

veranstalten, zu leiten oder an ihr teilzunehmen, wenn diese infolge des äußeren Erscheinungsbildes

1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken,

2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder

3. in vergleichbarer Weise Gewaltbereitschaft vermittelt

und dadurch einschüchternd wirkt.

„Uniformähnlich“, „paramilitärisch“, „in vergleichbarer Weise“ – es handelt sich um lauter unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine offene Einladung zu willkürlichem Polizeiverhalten sind. So bleibt völlig offen, welche Kleidungsstücke einschüchternd wirken sollen. Ist es schon das Tragen schwarzer Klamotten auf einer antifaschistischen Demonstration? Die Polizei wird hier je nach Auffassung der jeweiligen Einsatzleitung ein offenes Spielfeld zum Agieren haben. Dabei sollen nicht nur diejenigen, die ein vermeintlich einschüchterndes Kleidungsstück zu einer Versammlung tragen von Maßnahmen betroffen sein, nein, die gesamte Veranstaltung könnte deswegen verboten gelten. Eine Kleiderordnung durch die Landesregierung bzw. der Polizei zur Ausübung des Versammlungsrechts ist ein Skandal. Sie wird nicht nur gegen rechte Aufzüge in Stellung gebracht, wie der Innenminister in Verlautbarungen aus Medien betont. Auch die Proteste von Ende Gelände in Schutzanzügen könnten Verbotsziele werden. Nicht mal das CSU-geführte Bayern ist mit seinem „Militanzverbot“ soweit gegangen; dort wird darauf verzichtet, Kleidung zu verbieten, welche „vergleichbare Gewaltbereitschaft“ vermittelt. Das Ansinnen der NRW-Regierung ist schlicht verfassungsfeindlich und verdeutlicht, wie weit die Entwicklung der Beschneidung von rechtsstaatlichen Errungenschaften auch in die bürgerlichen Parteien vorgedrungen ist.

Blockadeverbot

Das sogenannte Störungsverbot in § 7 kommt abstrakt daher, aber räumt Faschist*innen faktisch die Straße frei. Es zielt darauf ab, Blockaden zu kriminalisieren. Solche friedlichen Blockaden sind bekanntlich ein Mittel vieler Antifaschist*innen gegen Naziaufmärsche. Aber Gegendemonstrationen und auch friedliche Blockaden sind legitime Protestformen gegen Nazis und Teil des Versammlungsrecht in Artikel 8 Grundgesetz.

Videoüberwachung

Mehr Möglichkeiten soll die Polizei auch bei der Aufnahme von Bildern und Videos von Versammlungen bekommen. Hier existiert bisher eine restriktive Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes NRW, die in der Videoüberwachung einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit sieht: „Wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.“ Daher stellt das OVG NRW hohe Anforderungen an die polizeiliche Videoüberwachung von Versammlungen. Durch den geplanten § 16 des NRW-Versammlungsgesetzes ist aber bereits die präventive Videoüberwachung möglich, wenn die Polizei annimmt, dass von der Versammlung „erhebliche Gefahren“ ausgehen. Bedeutet: Selbst wenn noch nichts geschehen ist, darf die Polizei filmen, wenn aus ihrer Sicht eine Wahrscheinlichkeit für den Schaden an einen bedeutsamen Rechtsgut (etwa Leben und Gesundheit) besteht. Ein Einfallstor für willkürliche Videoaufnahmen von Versammlungen.

Pflichten, Pflichten und nochmals Pflichten für Grundrechtsausübung

Die Polizei kann vom Veranstalter einer Versammlung gemäß § 12 Abs. 2 eine Liste mit Nennung der Namen und Adressen möglichen Ordner*innen verlangen. Das ist eine staatliche Dokumentation von ihren Grundrechten ausübenden Bürger*innen, wie es sich totalitäre Staaten träumen. Wer sich weigert solch eine Liste zu liefern, handelt ordnungswidrig (§ 28). Hier wird ein Abschreckungsszenario sondergleichen geschaffen.

Noch einen setzt der Entwurf drauf, wenn es eine Quasi-Verweigerung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit in § 12 einführen will. Mit völlig vagen Rechtsbegriffen wird Behörden vorbehalten, Veranstalter*innen für ungeeignet „abzulehnen“ zu können. Man muss dazu wissen, dass das Recht auf Ausübung der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz genehmigungsfrei zu gewähren ist. Ein Ablehnungsrecht von Veranstalter*innen ist nichts anderes, als diese Genehmigungsfreiheit völlig ins Absurde umzukehren. Schließlich kommt hinzu, dass Anmeldungen nur noch schriftlich und 48 Stunden im Voraus mit zahlreichen Angaben erfolgen dürfen (§ 10).

Fazit

Der Entwurf des am 27.01.2021 im Landtag eingebrachten neuen Versammlungsgesetzes von schwarz-grün ist ein versammlungsfeindliches Sammelsurium von Eingriffen in das Versammlungsrecht, der aufzeigt, wie lästig diese Landesregierung verfassungsrechtlich verbriefte und elementare Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger erachtet. Es sieht ausschließlich Einschränkungen vor und nur vermeintliche Erweiterungen. So ist die vorgesehene Möglichkeit der Demonstration nach § 21 auf privaten Flächen, die bloße Wiedergabe der seit der sog. Fraport-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts längst zulässigen Protestform. Es ist erschreckend, welchen Umgang schwarz-gelb mit Bürgerrechten pflegt und an elementaren Grundrechten für die Demokratie während einer globalen Pandemie und der wohl schwersten Krise seit dem 2. Weltkrieg rumdoktert und das Versammlungsrecht als eine reine Gefahr für den Obrigkeitsstaat erachtet. Dieses Versammlungsverhinderungsgesetz darf nicht verabschiedet werden! Protest ist nötig!

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