Mi. Mai 1st, 2024

Nahverkehr in Zeiten von Corona – Was können wir uns leisten?

Aktuell verhält es sich mit Bussen und Bahnen in etwa so wie mit Krankenhäusern: Wer sie nicht unbedingt benötigt, nutzt sie nicht. Wer ein Auto vor der Tür stehen hat, bewegt sich lieber damit von A nach B. Da kann man sich schließlich nicht anstecken. Wenn das Ziel nicht zu weit weg ist, kommt vielleicht noch das Fahrrad in Frage.

Damit wird die Nutzung des ÖPNV einmal mehr zur sozialen Frage: Wer sich kein Auto leisten kann, vornehmlich Geringverdiener:innen, muss mit Bus und Bahn zur Arbeit oder Ausbildungsstelle. Und aufgrund von Corona fährt die Angst vor Ansteckung mit. Muss das so sein?

Wie in vielen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens legt Corona auch beim Nahverkehr die Missstände offen, die durch jahrelange Unterfinanzierung entstanden sind. Schlechte Taktungen und fehlende Anschlüsse, ausgedünnte Netze, veraltete Infrastruktur und entsprechend häufige Verspätungen und Ausfälle machten die Fahrt mit dem ÖPNV bereits ohne Corona oftmals zur Zumutung.

Wenn man sich heute zu Stoßzeiten in volle Busse und Bahnen drängen muss oder in großen Gruppen auf die nächste Bahn wartet, können Mindestabstände oft nicht eingehalten werden. Statt auf Corona mit einer Ausweitung des Angebots zu reagieren, tat die Ruhrbahn im ersten Lockdown das, was in Deutschland noch immer als Königsweg angesehen wird: Streichen und sparen.

Der Fahrplan wurde ausgedünnt. Besonders an den Wochenenden und nach 23.00 Uhr wurden Verbindungen gestrichen. Nachts ging auf einigen Strecken gar nichts mehr. Wer nach Hause wollte, musste sich ein Taxi nehmen. Die Logik dahinter: Wenn eh nur wenig Menschen unterwegs sind, kann man ja auch weniger Fahrer:innen und Fahrzeuge einsetzen.

Die Ruhrbahn versäumt es, die Grundversorgung sicherzustellen, kritisierte damals der Fahrgastverband Pro Bahn wie auch die Linke Essen. Erst als die Kritik immer lauter wurde, kehrte man im August zum normalen Fahrplan zurück.

Auch bei den Einsatzwagen, die morgens Schülerinnen und Schüler befördern, musste die Ruhrbahn erst von besorgten Eltern darauf hingewiesen werden, dass die Überfüllung der Wagen – schon in normalen Zeiten eine Zumutung – in Coronazeiten ein Gesundheitsrisiko darstellt. Erst daraufhin wurde das Angebot Ende August ausgeweitet.

Hat man bei der Ruhrbahn mittlerweile gelernt? Wenigstens soviel ist angekommen: „Die Ruhrbahn GmbH wird auch im Lockdown weiterhin ihrem öffentlichen Auftrag nachkommen, um die Mobilität in Essen und Mülheim an der Ruhr aufrecht zu erhalten“, erklärte der Verkehrsbetrieb im Dezember zu Beginn des zweiten Lockdowns. Man werde nach regulärem Fahrplan fahren, „damit all diejenigen, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, weiterhin gut zu ihren Zielen kommen.“ Unter den auf Bus und Bahn Angewiesenen sind schließlich auch Mitarbeiter:innen in Krankenhäusern, Altenheimen, Kitas oder dem Einzelhandel. Aufgrund dieser „systemrelevanten“ Arbeitskräfte hatte bereits die Bundesregierung von Überlegungen Abstand genommen, auch den ÖPNV im Lockdown herunterzufahren.

Doch was, so möchte man fragen, ist mit denen, die nicht darauf angewiesen sind? Wie will man diejenigen zurückholen, die aufgrund von Corona aufs Auto umgestiegen sind? Wenn es nicht gelingt, diesen Menschen ein überzeugendes Angebot zu machen, wird man die Verkehrswende – ob in Essen oder anderswo – wohl kaum schaffen.

Überzeugen kann letztlich nur ein Nahverkehr, der für alle attraktiv ist und in dem sich alle sicher fühlen. Das heißt, dass Busse und Bahnen nicht überfüllt sein dürfen, die Wartezeiten vertretbar und die Fahrpreise moderat sind. Sicher, das kostet viel Geld. Doch davon scheint momentan ja reichlich vorhanden zu sein. Ein Unternehmen nach dem anderen wird – meist ohne irgendwelche Auflagen – mit gigantischen Summen von Bund und Ländern gerettet. Ob dieses Geld sinnvoll eingesetzt ist, kann bezweifelt werden. Dagegen wäre ein massives Investitionsprogramm in den Nahverkehr, das von Bund und Ländern mitgetragen wird, für alle ein Gewinn.

Wenn es in Kürze zu ersten Lockerungen des aktuellen Lockdowns kommen sollte, wäre dies eine der wichtigsten Initiativen, die die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen voranbringen könnten. Nicht nur, dass sich durch kürzere Takte die Ansteckungsgefahr verringern ließe, da sich dann weniger Menschen in den Bahnen und Bussen aufhalten würden.

Auch würde ein wichtiger Schritt in Richtung Verkehrswende gemacht, wenn der ÖPNV wieder als Alternative zum Auto wahrgenommen wird. Es wird Zeit, dass die großen politischen Aufgaben wie die Verkehrswende nicht länger mit Verweis auf Corona aufgeschoben werden, und dass diejenigen, die in der Krise für uns alle den Laden am Laufen halten, besser geschützt werden.

Die Linke Essen hatte bereits anlässlich der Kommunalwahl eine schrittweise Reduzierung der Fahrpreise bis zum Nulltarif, eine Verdichtung der Taktzeiten sowie eine Ausweitung des Nachtfahrplans gefordert. Daran hat sich nichts geändert, denn diese Forderungen sind auch in Pandemiezeiten immer noch richtig.

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